Es war noch früh am Morgen in Menethil. Der Tau glitzerte auf den Blättern der Pflanzen im Schein der gerade über dem Horizont aufgehenden Sonne. Vereinzelt war das Zwitschern einiger Vögel zu hören. Ein wunderschöner Tag kündigte sich an. Balan, ein einfacher Händler in Menethil, war gerade dabei, seinen Laden zu öffnen.
Hufgetrappel zerstörte die Idylle, ein Zwerg ritt in Menethil ein. Nichts Ungewöhnliches in Zeiten, in denen viele Krieger hier Rast machten, bevor sie die lange Reise nach Nordend antraten. Viele hatten in den letzten Tagen hier gegessen, getrunken und genächtigt. Viele Krieger sind gleichbedeutend mit viel Ärger, denn zu oft geht die Kunst des Kämpfens mit einer Art Kunst des schlechten Benehmens einher. Gerade gestern wieder hatte so ein Rüpel in betrunkenem Zustand Balans Frau Gisa, die im Gasthaus als Schankmaid arbeitete, belästigt. Balan beäugte den Ankömmling deswegen mit Misstrauen.
Der Zwerg saß ab, sein Stand, sein Gang waren selbstbewusst, seine Ausstrahlung zog die Blicke der anderen Bürger auf sich. Seine Rüstung schien Zeuge vieler Schlachten zu sein, einst sicher prunkvoll glitzernd, zierten sie nun einige Kratzer und Dellen. Dennoch strahlte der Zwerg Würde aus. Seine Augen waren voller Feuer und beobachteten aufmerksam die Umgebung. Ohne zu zögern steuerte er auf Balan zu. Ein verschmitztes Lächeln umspielte seine Lippen, kaum erkennbar, da sein riesiger, zu einem großen und zwei kleinen Zöpfen, geflochtener Bart diese zu einem Großteil verdeckte, dennoch nicht zu übersehen. Balan schaute den Zwerg fasziniert an. Auch in seinen Augen schien der Schalk zu sitzen. Kleine Fältchen spielten um die Augen des Zwerges. Sie strahlten Freundlichkeit aus. Anders als die der Krieger, die die letzten Tage die Stadt bevölkerten. Da ist etwas anderes an ihm, Balan war sich nur noch nicht sicher, was es ist …
„Guten Tag mein Herr, gestatten: Sonnenfeuer, Andil Sonnenfeuer.“ Andil verneigte sich vor dem Händler. „Guten Tag.” erwiderte Balan zurückhaltend. „Ich bin auf der Suche nach einem guten Gasthaus, könnt Ihr mir vielleicht behilflich sein?“ „Es ist gleich dort drüben. Zu so früher Stunde ist dort allerdings noch nicht viel los.“ „Nun, ich vermute ein ordentliches Frühstück wird es dort aber geben, mein Herr?“ Balan nickt stumm.
„Danke. Ich werde wohl bis morgen bleiben und das Schiff morgen Mittag nach Nordend nehmen. Bis dahin möchte ich mich ein bisschen ausruhen und heute Abend noch ein wenig die letzte freie Zeit genießen. Wenn ihr mögt, könnt ihr heute Abend noch ein wenig mit mir zusammen feiern. Ihr wisst ja, wir Zwerge sind dafür bekannt, keine Gelegenheit zum Bier trinken verstreichen zu lassen.“ zwinkerte Andil dem Händler zu. „Natürlich dürft ihr diese Einladung gerne weitergeben. Je mehr Leute kommen, desto größer der Spaß.“
Wieder blitzte der Schalk in den Augen des Zwerges auf. Da war etwas, dem sich Balan nicht recht entziehen konnte: diese offene Freundlichkeit. Der Zwerg schien nicht so zu sein, wie diese rohen Krieger, die zuletzt hier Halt machten. Aber man konnte nie vorsichtig genug sein.
„Danke für die Einladung. Ich werde es mir überlegen.“ antwortete Balan immer noch sehr zurückhaltend. Zumindest hätte er heute Abend dann seine Frau Gisa im Blick und wäre im Notfall zur Stelle. Er müsste sich ja nicht volllaufen lassen. Und ein Bier würde sicherlich nicht schaden.
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Andil wachte am späten Nachmittag wieder auf. Das Frühstück und den Schlaf hatte er dringend gebraucht, die letzten beiden Tage war er durchgeritten. Er war das nicht mehr gewohnt. Nach dem Sieg gegen Illidan hatte er sich zurückgezogen, des Kämpfens müde. Sicherlich war er ein bisschen träge geworden in der Zeit zu Hause bei seiner Frau Tandira. Ihr gutes Essen und ihre liebevolle Zuneigung hatte er die ganze Zeit während des Krieges vermisst. Der Gedanke an sie war es, der ihn immer wieder vorangetrieben hatte. Er hatte sich zwar während der Zeit zu Hause seiner alten Leidenschaft, dem Schmieden, gewidmet, was ihn zumindest in einem gewissen Rahmen in Form gehalten hatte, aber mit einem Zweitagesritt war das dennoch nicht zu vergleichen. Seine Rüstung hatte er in der Zeit auch ausgebessert, allerdings absichtlich die eine oder andere Delle nicht entfernt, sofern sie nicht die Brauchbarkeit der Rüstung beeinträchtigte. Er mochte das frühere Glitzern und Blinken seiner Rüstung ohnehin noch nie, es war ihm immer viel zu auffällig erschienen.
Andil musste an seinen Vater denken. Ebrendil Sonnenfeuer war einer der berühmtesten Schmiede in der Geschichte von Eisenschmiede. Seine Familie hatte vor Generationen das berühmte Sonnenfeuer entwickelt, eine Glut, die so heiß war, dass sie Gerüchten nach der Sonne gleichkam. Manch Gläubiger behauptete auch, dass Gott persönlich den Funken für die Glut zur Erde trug und dieser Funken sich nun in den Augen der Empfänger widerspiegelt, in den Augen der Mitglieder der Familie Sonnenfeuer. Nun ja, das würde zumindest dieses Leuchten in den Augen seiner Familie erklären. Andil lachte in sich hinein. Er hatte das Gerede von Gott nie wirklich geglaubt. Ein Abstraktum, dessen Existenz nie wirklich bewiesen wurde, aber auch nie widerlegt.
Dennoch hatte er sich, wie schon einige andere seiner Familie den Rittern der silbernen Hand angeschlossen. Das Talent, das seiner Familie in dieser Richtung innewohnte, war einfach zu stark, als dass man sich dagegen verwehren konnte, es für das Wohl der Allgemeinheit einzusetzen. Gerade in diesen unruhigen Zeiten, in denen es immer irgendeine Bedrohung abzuwenden galt. Nach dem dritten Krieg war die Akzeptanz von Zwergen bei den Rittern der Silbernen Hand stark gestiegen, auch wenn einige Zwerge ihre Fähigkeiten zur Nutzung der Macht des Lichts nicht zwingend als gottgegebene Gabe sahen. Das wurde inzwischen allerdings toleriert. Immerhin gab es ja schwerwiegendere Probleme als dieses. Zumal die Zwerge ihre Fähigkeiten, genau wie alle anderen Paladine, zum Wohl der Gemeinschaft einsetzten.
Die Entwicklung seiner Fähigkeiten hatte Andils Persönlichkeit nicht verändert. Er war immer noch der Zwerg, dem ein gutes Bier und ein paar gute Scherze den Abend versüßen konnten. Sein Bierverbrauch hatte sich im Laufe der Jahre bei der Silbernen Hand auch nicht verringert, eher das Gegenteil war der Fall. Auch sein Äußeres war eher zwergisch dezent, nicht wirklich ritterlich leuchtend. Auch nutzte er nicht das Schlachtross, dass viele der anderen Paladine als Reittier nutzten. Er verließ sich lieber auf seinen Rabenfürsten, ein vogelähnliches Reittier, welches ihm bis jetzt in allen Gefahrensituationen treu zur Seite gestanden hatte. Er war in jederlei Hinsicht etwas unkonventionell.
Das waren wohl die Gründe, weswegen man ihn auch nicht immer gleich als Paladin erkannte. Aber das war ihm nur recht. Auch der Kaufmann heute morgen hatte ihn zwar fasziniert angeschaut, ihn aber offensichtlich für einen einfachen Krieger gehalten und nicht für einen Ritter des Lichts. Vielleicht lässt sich dieses Missverständnis ja nachher bei einem oder mehreren Bier aus der Welt schaffen, dachte Andil amüsiert.
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Wie Andil diese Trinkgelage liebte. Seit mehreren Stunden schon zechte er zusammen mit einigen Bewohnern von Menethil im Gasthaus. Zwei Fässer Bier hatten schon das Zeitliche gesegnet und die Stimmung war ziemlich ausgelassen. Die Gäste tranken und tanzten. Auch Andil hatte schon die eine oder andere Runde mit der, zugegebenermaßen für eine Menschenfrau ziemlich gutaussehenden, Schankmaid Gisa auf der Tanzfläche gedreht, sich dabei aber immer den einen oder anderen bösen Blick von Balan eingefangen. Balan war der Einzige, der während des Abends nur sehr wenig getrunken hatte. Auch benahm er sich immer noch so kühl und zurückhaltend wie heute morgen. Warum nur?
Andil ging zum Bierfass und füllte seinen Humpen erneut. Zurück an seinem Tisch schaute er in die lustige Runde. Er dachte an Nordend. Dort würde wohl lange keine Möglichkeit mehr bestehen, derart unbekümmert zu feiern. Die Bedrohung war dort oben allgegenwärtig. Aber daran wollt er jetzt nicht denken. Lieber nochmal eine Runde mit Gisa das Tanzbein schwingen.
Wo war sie eigentlich? Er hörte Gisa schreien: „Lass mich los!“ Im gleichen Moment ertönte Balans Stimme: „Hör auf Torben, lass sie in Ruhe!“ Plötzlich krachte es in seinem Rücken. Andil drehte sich um und sah, wie Balan versuchte sich aus den Trümmern eines Tisches aufzurappeln, aber mit einem lauten Schrei zusammensackte. Im gleichen Moment stürmte ein stämmiger Kerl, bei dem es sich wohl um Torben handelte, auf Balan zu, wild mit einem Tischbein herumfuchtelnd. Andil konzentrierte sich kurz und der Schlag des stämmigen Kerls prallte von dem um Balan erzeugten Energieschild ab. Ruhig ging Andil zu dem Angreifer hinüber. Torben wollte nun ihn attackieren, Andil jedoch fing den Schlag durch einen schnellen Griff an Torbens Handgelenk ab.
„Du hast es wohl etwas mit dem Bier übertrieben mein Freund.“ Andil sah Torben freundlich, aber bestimmt an. „Es wird Zeit für dich nach Hause zu gehen.“ Torben versuchte sich zu aus dem Griff des Paladins zu befreien, aber das führte nur dazu, dass dieser noch fester zugriff. Doch so schnell gab Torben nicht auf. Der Alkohol hatte ihm Mut gemacht. Mit seiner freien Faust schlug er Andil ins Gesicht. Der Zwerg verzog keine Mine, doch plötzlich fing er so intensiv an zu leuchten, dass sich die Gäste die Augen zu halten mussten. Mit eindringlich donnernder Stimme wiederholte Andil seine Worte: „Du hast es wohl etwas mit dem Bier übertrieben mein Freund. Es wird Zeit für dich nach Hause zu gehen.“ Vom Licht geblendet und etwas benommen, aber plötzlich stark ernüchtert murmelte Torben eine Art Zustimmung, woraufhin Andil ihn losließ. Taumelnd bewegte sich Torben Richtung Ausgang.
Nun wandte sich Andil wieder Balan zu. Dieser saß immer noch am Boden, hielt sich jetzt aber den offensichtlich gebrochenen Knöchel und schaute dabei Andil an. „Ihr seid ein Paladin.“ sagte Balan erstaunt.
„Ja, das bin ich. Jetzt zeigt aber erstmal euren Knöchel her.“ erwiderte Andil und nahm den verletzten Knöchel behutsam in seine Hände. „Mit Verletzungen kenne ich mich ein wenig aus.“ zwinkerte er Balan zu. Im gleichen Moment fingen Andils Hände an zu leuchten. Dieses Leuchten übertrug sich auf den Knöchel. Balan spürte, wie sein Fuß warm wurde und der Schmerz nachließ. Nach einigen Sekunden setzte Andil den Fuß ab. „Ihr müsst noch etwas vorsichtig sein, aber in ein paar Tagen solltet ihr wieder voll einsatzfähig sein. Und nun erzählt mir, was überhaupt passiert ist.“
Ein paar Erklärungen später, wusste Andil was vorgefallen war. Plötzlich war auch Balan freundlich und offen zu ihm und Andil wusste, warum er vorher so zurückhaltend gewesen war. Hätte er das vorher gewusst. Aber er war Paladin, kein Hellseher. Und vor allen Dingen war er ein Zwerg, der den letzten Abend vor Nordend noch einmal genießen wollte. Strahlend stieß er noch einmal mit Balan an. Die Nacht war noch lang.
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Was ist deine Geschichte?
Montag, 24. November 2008
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2 Kommentare:
Schöne kleine Geschichte, wirklich schön. Vielleicht fang ich auch mal mit dem Schreiben in der Richtung an, wenn ich mit der anderen fertig bin ... aber das wird noch dauern. Ich bin ja schon froh, wenn erstmal die wichtigen Teile fertig sind, und dann kommen noch die unwichtigen irgendwann nach Veröffentlichung hinterher *seufz*
Menethil… das gute Menethil… immer eine Reise wert. Und wenn es auch nur darum ging ein paar aufmüpfigen Hordlern die Tour zu versauen. Für eine ordentliche Wirtshausschlägerei bin ich ja immer zu haben.
Als junger Zwerg hab ich immer staunend am Kai gestanden und die großen Schiffe beobachtet, wenn mein alter Herr und ich in die Hafenstadt gereist sind, um ausländische Kräuter oder dergleichen zu besorgen. Von Thelsamar aus ist es zu Fuß doch ein gutes Stück. Da haben wir auch das ein oder andere Mal in der Schenke genächtigt.
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